Paul Ferstel

Existenzmaschinen für Glückliche Tage

(Textzuschreibungsmontageversuche für P. S.)

Ein paar Dinge, die wir über ihn wissen: Er wolle „eine teils direkte, teils strukturelle Gewalt, die auf die Figur ausgeübt wird, sichtbar machen“ (R. Fleck). „Die angeschraubte, angespießte Kreatur, unfrei wie der gläserne Mensch von morgen“ sei sein Thema (W. Müller-Thalheim). „Die  Körper belässt er zum Teil in ihrer Gesamtheit, andere werden amputiert, zerlegt oder verfremdet. Sengls Figuren bleiben Gefangene in ihren eigenen Welten.“ (E. Fiedler). "Der Mensch ist nur in seiner sozialen Korrelation zu verstehen, er ist nicht er selbst – holdes humanistisches Anliegen –, er ist manipuliert, er leidet, er wird deformiert, ..., er erfährt immer wieder seine eigenen Fesselungen. Sengl spürt diese Korsettierungen auf." (D. Ronte) „Frauen sind in Sengls Bildern bevorzugte Modelle, zumeist aber auch Opfer.“ (M. Ruprecht, DIE ZEIT)

Wohl tausendmal hört ich die Leute sagen
Freud’ sei im Himmel, in der Hölle klagen.
Jedoch –
(Geoffry Chaucer)

Jedoch.
Sengls Gequälte leiden nicht – sie sind ruhig, gelassen, charismatisch. Souverän stehen die Manipulierten in nahezu allen Werken des Künstlers im Zentrum des Geschehens, sie dominieren – dirigieren – die Vorgänge. Niemals ist auch nur der kleinste Ansatz eines Ausbruchsversuches, eines Revoltierens der Gefangenen zu erkennen.

Mit einer Selbstverständlichkeit, die ganz offenbar aus einer komplexen inneren Logik heraus entsteht, tragen sie ihre Deformationen. Meist verletzen die Folterwerkzeuge auch gar nicht, eher gehen sie eine symbiotische Verbindung mit den Opfern ein. Eine selbstverständliche, entspannte Harmonie verbindet die Korsettierten mit ihrem jeweiligen Kosmos.

Sengls Alltagswelten bestehen aus einem klar umschriebenen und eng definierten Arsenal: Tiere, Blumen, Kunst und Kunsthandwerk, Artefakte und Memorabilia. Die Teilnehmer an diesen Gewaltszenarien haben bei genauer Betrachtung ausschließlich eine Gemeinsamkeit: Schönheit.

Furchtbar ist das, dass die Schönheit nicht nur
eine fürchterliche, vielmehr auch eine geheimnisvolle Sache ist.
Da kämpft der Teufel mit Gott, das Schlachtfeld aber  -
ist das Menschenherz.
(F.M. Dostojewski, Die Brüder Karamasow)

Ihre Spannung ziehen Sengls Arbeiten nicht aus einer mehr oder weniger „aktuellen“ Darstellung der „Lebensbedingungen des modernen Menschen“, und schon gar nicht aus einem wie immer gearteten Versuch der (Zeit-)Kritik. Zeitgebunden ist lediglich Sengls Stil - und das auf einem derart hohen Niveau, dass die optischen Signale es gefährlich leicht machen, den Blick auf das dahinter stehende Thema zu vermeiden, die Raffinesse der ästhetischen Signale bereits für die Aussage der Arbeiten zu halten. Aber Sengl weiß genau, was er tut: Wer es nicht schafft, hinter die Fassaden zu blicken, der würde dort ohnehin nichts finden.

Wertheimer hatte diesen Rettungsanker,
nämlich sich selbst als Einmaligkeit zu betrachten,
niemals in Betracht ziehen können.
(Thomas Bernhard, Der Untergeher)

Letztlich ist jedes Sengl-Bild ein individuelles Portrait. Ein Bild von einem Menschen. Gleichgültig, ob es sich um eine reale Person, eine „erinnerte“ oder „konstruierte“ Gestalt oder eine in der (Medien-)Welt bereits vor-definierte und damit „gefundene“ Figur handelt. Sengls Figuren haben ihre Geschichten, doch um diese geht es nicht. Sie mögen stigmatisiert, deformiert, geschädigt  sein, wenn sie sich in die Hände des Künstlers begeben – das ist nur zu erwarten und letztlich gleichgültig: Es ist, wie es ist. Gestrandete im Lebenskampf, in die Welt geworfen und zum Leben verdammt. Sengl „empfängt“  die Gezeichneten, wie sie sich bei ihm „einfinden“, mit ihren Wünschen und Ängsten, Hoffnungen und Enttäuschungen, Erfahrungen und Erwartungen. Wie Noah nimmt Sengl sie – jede(r) Einzelne eine eigene Spezies – auf und macht sich an die Arbeit.

Möglicherweise müssen wir davon ausgehen, dass es
den sogenannten unglücklichen Menschen gar nicht gibt,
dachte ich, denn die meisten machen wir ja erst dadurch
unglücklich, dass wir ihnen ihr Unglück wegnehmen.
(Thomas Bernhard, Der Untergeher)

Nicht eine (aussichtslose) Heilung der fragilen Geschöpfe, schon gar nicht eine (fragwürdige) psychologische „Aufarbeitung“ nimmt der Künstler an seinen Figuren vor. Sengl ist kein Drahtzieher, kein Puppenspieler. Er stellt die Frage, was diese Seelen in ihrem jeweiligen Zustand brauchen, welche Strategien und Mechanismen ihnen ein Überleben, ein Weiterleben ermöglichen könnten. Sengl lässt die vermeintlichen Marionetten die Fäden ziehen. Indem er jeder einzelner seiner Seelen einen Vorschlag macht (malt), wie sie sich in dieser Welt, mit dieser Welt zu Recht finden könnte. Die Frage nach der Harmonie zwischen Mensch und Welt ist Sengls Thema. Denn natürlich müssten die Menschen-Seelen in all ihrer Einmaligkeit, all ihrer Schönheit und Autarkie einsam, verloren bleiben, so lange sie die Ver-Ortung, das Fuß-Fassen, die Ver-Ankerung nicht schaffen. In Sengls Bildern finden sie ihren Lebensraum. Sie gehören genau dort hin, wo er sie platziert. Sengl ordnet jedoch nicht an, er ordnet zu: Man hat das Gefühl, jeder Bild-Kosmos sei im intensiven Dialog mit der/dem Dargestellten geschaffen worden. Nicht das Nichtmehrentfliehenkönnen ist Sengls Motiv, sondern die Suche nach einem Ort – vielmehr: einem Zustand - des Nichtmehrentfliehenwollens.

Winnie: ... dass ich, wenn ich nicht festgehalten würde
in dieser Weise, einfach ins Blaue hinaufschweben würde.
Hast du nie das Gefühl, Willie, hinaufgesogen zu werden?
Musst du dich nicht manchmal anklammern, Willie?
(Samuel Beckett, Glückliche Tage)

Zu diesem Zweck baut Sengl seinen Schützlingen „Existenzmaschinen“. Behutsam, fast zärtlich passt er ihnen die jeweils adäquaten individuellen Lebenshilfen – Prothesen, Krücken, Stützen, Panzer, raffinierte Erweiterungen des beschränkt brauchbaren menschlichen Körpers – an. Sengl schafft seinen Menschen einen Ort, an dem sie sich anklammern können, und bindet sie ein. Anders als die Passstücke von Franz West oder auch die One Minute Sculptures von Erwin Wurm haben Sengls Existenzmaschinen eine dienende Aufgabe, keine Zwangsfunktion. Sie folgen dem Individuum, nicht dem Script eines „Übervaters“. Diese Konstruktionen als ein Arsenal sadomasochistischer Einrichtungen zu sehen, ließe ihre existentielle Bedeutung für die Nutzer außer Acht: Fein abgestimmt sind die Einzelteile der Maschine auf die Figur, vielfältig die Bauweisen, häufig erlauben sie den direkten Kontakt mit der Natur, den schönen Dingen des Lebens. Auch die Deutung als Kästen, Särge  oder Zwangsjacken greift immer weniger, je weiter Sengl sich entwickelt: War in frühen Arbeiten der 70er-Jahre noch zeitweise eine gewisse Beengtheit, ein nicht erfüllter Raumbedarf der Hauptfiguren zu spüren, so werden die Protagonisten im Laufe der Jahre immer selbstsicherer, bestimmender, freier. Die Verankerungen werden präziser; die bekannten Hintergrund-Raster aufgelöst in malerisch-abstrakte „Farbpunkte, die Tier-, Pflanzen- und Artefakt-Welten konziser. Je klarer der Blick auf die Seele, umso leichter gelingt die Koexistenz mit der Welt.

Estragon: Ich frage, ob wir gebunden sind.
Wladimir: Gebunden?
Estragon: Ge-bun-den.
Wladimir: Wie gebunden?
Estragon: An Händen und Füßen.
Wladimir: Aber an wen? Durch wen?
(Samuel Beckett, Warten auf Godot)


Ein Künstler, der derart akribisch auf der Suche nach der Einmaligkeit des Individuums, dem „letzten Geheimnis“ ist, muss natürlich zweifeln an der Möglichkeit, dass zwei Seelen jemals völlig verschmelzen können. Bei Doppelportraits schlägt Sengl daher oft ein Ritual – Tanzen, Schaukeln, Spielen - vor. In früheren Arbeiten finden sich oft auch so etwas wie Fahr- oder Hausgemeinschaften mehrerer Personen. Doch auch das ist nicht als Kritik an menschlicher Kleinmut zu verstehen, sondern wiederum als ein „Aber so geht es auch“. Die Mehrpersonen-Existenzmaschinen sind hilfreich und tröstlich schon allein durch all die privaten Rituale, Codes, Gewohnheiten und Gemeinsamkeiten, die sie nutzen. Ein empfindliches Gleichgewicht, durchaus, aber ein valider Hinweis auf die vielen Möglichkeiten der (Ver-)Bindung.

In der Nähe körperlicher Berührung empfand er plötzlich und ganz
erstmalig das ungeheure, das nicht geheure Glück des Besitzers:
das Hereinrücken gleichsam ihres Körpers mit seinen natürlichen Reizen,
Waffen, Rüstungs-Stücken, Vorwerken und Bastionen.
Seine Hand lag auf ihrem Knie, und jetzt fühlte er’s als
schmölze der Stoff ihres Körpers hinweg, als wüchse ihr Knie
mit der Rundung in seine hohle Hand, ja, als würde es diese selbst.
(Heimito v. Doderer, Die Strudelhofstiege)


Zwangsläufig ist jeder Vorgang des Verankerns ein wenig schmerzlich. Denn Sengl ist auch in dieser Hinsicht ein Realist – ganz ohne Einschränkung geht es nun einmal nicht. Dies kann ebenso wenig eine Korsettierung genannt werden wie das Fassen eines Solitärs. Die Rasterungen, Schablonen, die oftmals die Bildhintergründen bilden, sind keine Schemata, in die der Mensch gepresst wird. Viel mehr dienen sie den Figuren als Orientierungshilfsmittel in einer Welt, die wenig an Sicherheit zu bieten hat. Sengl setzt seine Figuren in einen ihnen adäquaten Raum, in dem sie sich einrichten können. Seine berühmten „Bilderecken“ sperren nicht die Figuren ein, sie öffnen ihnen ein Fenster, einen klaren Blick auf die Welt. Ein Lebensraum tut sich auf. Eine Stätte der Zuflucht ist geschaffen.

Mir ist es oft, als ob die Erde sich
Jetzt atemleise meinem Blick entzöge,
und eine fremde Landschaft tritt für sie,
wie eine Bilderschrift, um alles Schauen.
.............
Das lässt mich nun in allem so allein,
dass ich mich manchmal aus mir selber hebe,
um was Vertrautes in den Raum zu tun,
aus dem die Erde atemleise flieht.
(Christine Lavant)


In seinen Frieda-Kahlo-Paraphrasen verleiht er der in ihren Zwängen erstickenden Künstlerin Räder (verhilft ihr zur Flucht?), selbst Kubins Angstgestalten werden fröhliche Spielgefährten für solche, die sich nicht mehr fürchten müssen. „Ohne siebte Bindung“ (1990) heißt eines seiner Bilder – als würde der Maler beklagen, dass er dieser Figur nicht auch noch eine weitere Bindung (Absicherung) angedeihen lassen kann. Anders als dem „kleinen Anpumperer“, dem er (2001) liebevoll ein dämpfendes „Wattekleid“ schneidert. Selbst einem Hl. Sebastian (2000) gibt er gleich den Hund zu Seite, der die Wunden verbindet. Und jeder passionierte Nikotingenießer wird sofort verstehen, dass „Rauchen auf Godot“ (2005) ein hilfreicher Tipp selbst für den Beckett’schen Lebenskrampf darstellt. „Der Witz zieht den Ernst nach sich“, konstatiert Peter Baum zu Sengl – doch setzen Sengls Überlegungen nicht vielmehr beim bitteren Ernst an und nutzen den Witz als mehr oder minder taugliche Waffe?

Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt.
(Rainer Maria Rilke, Der Panther)


Es ist sicher kein Zufall, dass sich sowohl in vielen Bildtiteln des Künstlers als auch in zahlreichen über ihn geschriebenen Texten Worte mit durchaus ambivalenter Bedeutung finden. So können wir- wir müssen nur wollen - Sengls Bildtitel lesen wie Rilkes Panther die Welt: von der Innenwelt ausgehend die Außenwelt definierend. In „Inmitten Bewachern“ (1994) würden dann die vermeintlichen Gefängniswärter zu schützenden Bodyguards. Der „Genutzte Zuchtraum“ (1985) mit seinen Tierfiguren verlöre die (von Sengl in einem seiner seltenen Statements zu seiner Arbeit ohnehin dezidiert als Missverständnis deklarierte) S/M-Konnotation, er würde zur Voliere für prächtige Vögel. Wer sollte sich dann vor einer „Affe-Hunde-Teddys-Belagerung“ fürchten? Die „Zerbrechende Pieta“ (1990) gebiert (befreit) einen Hund; natürlich sitzt der „Gelbfleck am rechten Platz“ – welche Aufgabe auch immer er dort erfüllen mag; ein „Engel trainiert Fliegen“, der „Dancer“ findet sich nicht in dem Titel gebenden „Dark“, sondern in einem fröhlichen „Yellow-Dark“; selbst die abgründigen „Fleurs du Male – heißt Blumen zum Malen“ bei Sengl. Und „Hält sie sich die Ohren zu, lässt der Tiger sie in Ruh“ könnte dann schon eine sehr konkrete Form der Lebensweisheit sein.

In a wonderland they lie,
Dreaming as the days go by,
Dreaming as the summers die:
Ever drifting down the stream –
Lingering in the golden gleam –
Life, what is it but a dream?
(Lewis Carroll, Through the looking-glass)


Natürlich sind alle Bilder von Peter Sengl (auch) Träume. Träume, die Sengl, der Maler, stellvertretend träumen darf. Wunschvorstellungen von – für - Menschen, die im Einklang stehen mit der Welt, die sie umgibt. Menschen, die sich ihr Leben „eingerichtet“ haben. Sensibel macht der Künstler seine Vorschläge, entwirft Existenzen, die – vielleicht – bessere, schönere, erträglichere sind als die real vorzufindenden. Als wolle er seinen Schützlingen die Augen öffnen. Ein beinahe trotziges „nil desperandum“ spricht aus diesen Umgebungen, ein unverbesserlicher Glaube daran, dass das alles, wenn es schon keinen Sinn hat, so doch einen Inhalt bekommen kann. Und wenn schon kein Inhalt zu erkennen ist, so doch wenigstens Haltung bewahrt werden kann.

Nichts drückt die Unsicherheit, die zerbrechliche Schönheit,
die Vergänglichkeit besser aus als diese improvisierten
und prekären Feste.
(E. Ionesco über J. Cocteau)


Zu diesem Zweck muss natürlich auch an der Welt gearbeitet werden: Konsequent spart Sengl all das aus, was nützlich oder brauchbar ist, was unter den Sammelbegriff „Alltagsgegenstände“ oder „Zivilisationsmüll“ fallen würde. Seinen Kosmos beleben – beseelen – Blumen, Tiere, Artefakte. „Er malt Dinge, die er liebt. Die er schön findet“, bringt es Tochter Deborah auf den Punkt. Wie Orpheus lässt Sengl die Tiere und Pflanzen nach seiner Pfeife tanzen. Oft „umgarnen“  Fauna und Flora die Figuren regelrecht, scheinen um Aufmerksamkeit, Wertschätzung und Liebe zu buhlen. Die Sengl’schen Paradiese in all ihrer Pracht schaffen es mühelos,  die dahinter liegenden Hässlichkeiten nicht nur zu überdecken, sondern vielleicht sogar zu eliminieren, aus der – individuellen - Welt zu schaffen.

Dass sich in diesen Szenarien neben der Natur primär Zitate aus Werbung und Angewandter Kunst finden, rührt wohl daher, dass auch deren Schöpfern das Streben nach Schönheit, Ästhetik zu Grunde liegt. Die an Oberflächlichkeiten und Plattitüden wahrlich nicht arme, konsum-, sex- und automatenorientierte Genussgesellschaft  ist allerdings nicht Sengls Thema, sondern die Behauptung, dass man ihr entkommen kann. Sengl zeigt nicht den Menschen im Unzumutbaren seiner Existenz, unermüdlich (unverbesserlich?) forscht er nach zumutbaren Arrangements.

And I say to any man or woman,
let your soul stand cool and composed
before a million universes.
(Walt Whitman, Leaves of grass)


Erst 2004 – also mit knapp 60 Jahren - hat Sengl den (wohl immer schmerzhaften) „Selbstversuch“ auf die Spitze getrieben. In einer Serie von Autoportraits probiert er sich selbst in unterschiedlichen Settings: In immer gleicher, stoischer Pose passt er sich unterschiedliche Kostüme, Hintergründe, Farben und wechselnde Weggefährten an. Ein Maß-Schneider in eigener Sache. Jedes Konstrukt ist – in diesem Augenblick des Fest-Haltens - richtig, keines ist endgültig. Jedes bedingt das nächste, in keinem kann er auf Dauer bleiben. Zaghafte Seelen mögen (ver)zweifeln an der Unmöglichkeit, die Welt nach ihren Vorstellungen zu gestalten. Ihnen scheint jedes Sengl-Bild zu sagen: „Versuch es auf’s Neue!“

Ich gestehe es: ich
Habe keine Hoffnung.
Die Blinden reden von einem Ausweg. Ich
Sehe.
Wenn die Irrtümer verbraucht sind
Sitzt als letzter Gesellschafter
Uns das Nichts gegenüber.
(Bertolt Brecht, Der Nachgeborene)


Sollte der Tod sanft mit unserer Seele umgehen – es könnte sein, dass er unseren letzten „Lebensfilm“ mit Bildern von Sengl’schem Zugriff gestaltet: Nicht Erinnerungen an Kämpfe, Verluste und Niederlagen würden dann bleiben, sondern Momente der Einigkeit mit sich selbst und der Welt, umgeben von Schönheit. Ergebnisse eines bewusst gelebten, mit erhobenem Kopf gestalteten Lebensweges.

Ich ironisiere sozusagen meine Angst.
(Peter Sengl im Interview mit Michaela Knapp)


Denn das ist das Besondere, das Geheimnis um Sengls Menschen: Sie scheitern nicht. Niemals. Sengl erzählt von der unantastbaren Würde des Menschen, und davon, dass es sie, mit allen Mitteln, zu verteidigen gilt. Was gäbe es Zeit-Gemäßeres – und Ewig-Gültigeres?


PS:
Ein als zu persönlich gestrichener Absatz.
Für Susi.

Man kann gar nicht umhin, hinter den meisten der schönen Frauengestalten in Peter Sengls Bildern (Träume von „minder schönen Frauen“ hat er selten gemalt, auch wenn er den Titel des Beckett-Romans für eine Ausstellung herangezogen hat) seine eigene Frau, Susi, zu erkennen (zu vermuten?). Möglicherweise könnte man – hätte man die Informationsverarbeitungskapazität eines kunstverständigen Großrechners – aus allen Frauenbildern des Peter Sengl den seismografischen Werdegang von Susis Seele über die Jahre hinweg „berechnen“. Clevere KunsthistorikerInnen werden dereinst das Sengl’sche Alltagsleben den jeweils entstandenen Werken gegenüberstellen und daraus ihre Schlüsse ziehen wollen.

Sind die Kritiker uneinig,
so ist der Künstler einig mit sich selbst.
(Oscar Wilde, Das Bildnis des Dorian Gray)

Jedoch.
Nicht Susis Seele werden sie finden. Finden werden sie Peters unermüdliche Versuche, ihre Seele zu erfassen, sie an der Hand zu nehmen und ihr jene Ruhe, jene Schönheit zu geben, die sie verdient hat. Sengls täglich neue Überlebens-Vorschläge, zugeeignet ihr, der „Löwenmutterschulter“.


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